Vorläufiges Endergebnis
Vorläufiges Endergebnis in Thüringen
Historischer Wahlerfolg für die Linke - Grüne und FDP knapp im Landtag
Es Schorschla ist ja durchaus politisch interessiert. Manchmal versucht es sogar, unsere kompliziert-verkorkste Welt etwas zu verstehen. Liest nach, weshalb Menschen mit Regenschirmen in Hongkong auf die Straßen gehen, wie der spanische Präsident mit Sitz in Madrid die aufständischen Katalanen in Barcelona beim politischen „El Classica“ besänftigen möchte und welches Ass unser Außenminister Maas bei schwierigen Staatsbesuchen in der Türkei aus dem Ärmel ziehen kann. Oder ist es eher ein schwarzer Peter? Ja, ein kurzer Blick in die Nachrichtenticker kann da schnell in ein abendfüllendes Internet-Infoprogramm ausarten. Oder es Schorschla greift einmal zu einer der seriösen, überregionalen Tages- oder Wochenzeitungen und liest dort hervorragende Kommentare und bestens recherchierte Artikel. Das ist vielleicht „old school“ aber das macht Spaß und ist mitunter auch nachhaltig lehrreich.
Über die Wahlen in Thüringen war im Vorfeld viel spekuliert worden. Was passieren könne, wie man eine Regierung bilden könne, welche politischen Farben miteinander harmonierten oder eben auch nicht. Farbenspiele der ganz besonderen Art flimmerten über die Bildschirme, teils waren so viele Farben nötig, dass es gar keine Länderflagge mehr dafür gab. Dann die erste Hochrechnung, später am Abend das vorläufige Endergebnis. Und siehe da: Trotz mentaler Vorbereitung, schöner Artikel, fundierter Umfragen und intelligenter Kommentare waren irgendwie alle geschockt. Damit hatte niemand gerechnet – die Wählerinnen und Wähler sorgten mit ihren Kreuzchen für ein politisches Erdbeben. Im ganzen Land. Wobei ein Trend wieder einmal deutlich wurde: Bei positiven Ergebnissen rühmen die Herrn und Damen Politiker in Interviews ihre persönlichen Verdienste der vergangenen Jahre, bei schlechten Zahlen verweist man auf die Fehler und Entwicklungen der Bundespolitik. Das ist in Erfurt nicht anders als in Bremen, München oder Stuttgart.
Aber zurück nach Thüringen: 31 Prozent für Bodo Ramelows „Die Linke“, die AfD als zweistärkste Kraft verdoppelt ihre Anhänger und erreicht 23,4 Prozent. Dahinter folgte die CDU mit 21,8 Prozent (2014: 33,5 Prozent). Weit abgeschlagen die SPD mit einem historisch schlechten Ergebnis von 8,2 Prozent, die Grünen schaffen mit 5,2 Prozent knapp den Einzug in den Landtag und die FDP hat es am Ende fünf Wählern zu verdanken, dass sie die 5-Prozent-Hürde gerade noch überspringen kann. Übrigens: Mehr als 1,7 Millionen Thüringer waren zur Wahl aufgerufen, die Beteiligung lag bei sehr guten 64,9 Prozent (2014: 52,7).
Es Schorschla erinnert sich bei diesen Zahlen an Aussagen und Wahlermunterungen der ehemaligen Volksparteien. Geht wählen! Jede nicht abgegebene Stimme kommt den Extremen zugute. Dann gehen fast zwei Drittel der Menschen an die Urnen und wer gewinnt am Ende? Die Extremen! Aber wo liegt der Fehler im System. Weshalb erreichen die beiden äußersten Randparteien plötzlich die absolute Mehrheit? Was ist geworden aus der viel gerühmten politischen Mitte? Wie kann der größte Wahlverlierer CDU noch am Wahlabend groß aufsprechen, und erklären, mit wem man niemals koalieren würde?
Ist es nicht genau diese Mischung aus sinnloser und völlig unberechtigter Überheblichkeit, eingeschränkter Urteilsfähigkeit, mangelndem Weitblick und fehlender Bürgernähe, die derartige Ergebnisse erst möglich macht? Bodo Ramelow, bekanntermaßen der einzige Linke-Ministerpräsident in Deutschland, wirkte gestern in den Interviews besonnen, nachdenklich und trotz des Traumergebnisses seiner Partei alles andere als euphorisch: „Die Wählerinnen und Wähler haben Vertrauen zu meiner Kraft, auch die zukünftige Regierung zügig bilden zu können. Und ich habe natürlich die Absicht, mich sehr schnell im Parlament zur Wahl zu stellen.“ Danach werde es keine „wackeligen Verhältnisse“ geben. Gefragt, ob die CDU in der Pflicht stehe, mit der Linken bei der Regierungsbildung zusammenzuarbeiten, antwortete Ramelow: „Alle Demokraten müssen in der Lage sein, miteinander zu sprechen.“
Genau das ist der Punkt. Es ist einfach nicht die Zeit für persönliche Befindlichkeiten, fürs Schmollen und Lamentieren. Thüringens CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring hat zumindest erkannt, dass „es heute Abend keine einfachen Antworten“ gebe. „Zunächst heißt es, klug zu überlegen, was ist für unser Land wichtig, und wie können wir unsere Demokratie stabilisieren.“ Klassische Floskelpolitik. Und CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak bekräftigt: „Unser Wort gilt nach den Wahlen genau wie wir es vor den Wahlen gesagt haben: Es wird keine Koalition der CDU mit der Linkspartei oder der AfD geben.“ Zumindest spricht er von einem „bitteren Tag“ für die CDU.
Der AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke wollte ein „klares Zeichen“ der Thüringer erkannt haben. Ein „So geht es nicht weiter.“ Die AfD sei auf dem Weg zur gesamtdeutschen Volkspartei und wolle nach dem „grandiosen Erfolg“ nun „staatspolitische Verantwortung tragen“, erklärt er im Sender Phoenix. Eine positive Notiz am Rande einer irren Wahl: Ein Direktmandat bekam Björn Höcke übrigens nicht: Er unterlag in seinem Wahlkreis Eichsfeld I dem CDU-Kandidaten Thadäus König. Deutlich. Aber davon war in diesen Gesprächen leider nichts zu hören. Obwohl diese Tatsache fürs Schorschla eine der wenigen positiven Nachrichten an diesem Sonntagabend war.