Nachfeiertagen?

Wir haben andere Probleme!

Dann wird eben nachgefeiertagt

Aktuell sind die Nachrichten schon eine Art Mutprobe. Die Bilder grauenvoll, menschenverachtend, erschütternd, ein Ende der mörderischen Bombenangriffe ist nicht in Sicht. Das westliche Europa scheint durch Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine geeinter denn je, schwere Waffen werden über Umwege ins Krisengebiet geliefert, es fließen milliardenschwere Unterstützungszahlungen, Flüchtlinge aus den zerstörten Städten werden in vielen EU-Ländern möglichst unbürokratisch aufgenommen und schnell integriert. 

Natürlich gibt es auch andere Meldungen. Corona tröpfelt aus medialer Sicht langsam aus, gesprochen wird ab und an über ein Virus-Mutanten-Comeback im Herbst 2022, aber richtig ernst nehmen das aktuell nur wenige. Was sich hoffentlich nicht irgendwann einmal rächen wird. 

Das Thema der Woche fürs Schorschla war aber ein ganz anderes: Der Schrecken von Feiertagen an Wochenenden. Wie am Wochenende geschehen: Ein 1. Mai, der Tag der Arbeit, fiel da auf einen Sonntag. Und – oh Schreck: Wir Arbeitnehmer hatten sozusagen doppelt frei, wofür sich aber niemand was kaufen kann. Ein arbeitstechnischer Skandal, finden Linke und Grüne und fordern wortgewaltig einen „Ausgleich für Feiertage am Sonntag“.

Nur kurz zur Erklärung: In einer Zeit, in welcher unser Wirtschaftssystem gerade so Dank Kurzarbeit, unfassbarer Unterstützungszahlungen und riesiger Fördertöpfe am Leben erhalten wurde, jammern einige Volksvertreter über die ihrer Ansicht nicht länger hinnehmbare Ungerechtigkeit, dass Feiertage an Sonntagen nicht, wie in anderen Ländern üblich, mit einem „Ausgleichstag“ verrechnet würden. Das müsse man ändern, besser gestern als heute! 2021 sei es besonders bitter gewesen. Doch auch im laufenden Jahr macht der Kalender jenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die sich auf einen freien Tag im Frühling gefreut hatten, einen Strich durch die (Brückentags-)Rechnung. Ja, Feiertage müsse man künftig nachholen. Punkt. Ende der Diskussion. 

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, Jan Korte, erklärt in der „Rheinischen Post“: „Jeder verlorene Feiertag bedeutet mehr Stress und weniger dringend benötigte Erholung von den Belastungen durch die Arbeit und die Pandemie.“ Die Linke werde parlamentarisch tätig werden, „damit künftig keine Feiertage mehr ausfallen“.

Die Arbeitsmarktexpertin der Grünen, Beate Müller-Gemmeke, sagt im gleichen Artikel, es sei jetzt an der Zeit, gesellschaftlich über diesen Missstand zu diskutieren. Australien sei hier das Musterbeispiel, „Downunder“ bedeuten Feiertage, die auf einen Sonntag fallen, automatisch einen freien Montag.

Es Schorschla kann bei derartigen Diskussionen nur ungläubig mit dem Kopf schütteln. Auf der einen Seite pochen wir auf staatliche Hilfszahlungen in Krisenzeiten, nehmen es gerne hin, dass viele von uns in Coronazeiten bei um 50 Prozent reduzierten Arbeitszeiten doch oftmals rund 80 Prozent vom gewohnten Gehalt auf ihrem Konto fanden. Dass ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung 30 oder mehr bezahlte Urlaubstage pro Jahr verplanen kann – was in vielen anderen Ländern auf unserem Globus unfassbar erscheint – sei hier nur ganz am Rande erwähnt. 

Ja, wir Deutschen gelten in der globalen Arbeitswelt als fleißig und zuverlässig und akkurat. Was uns auch gut zu Gesicht steht. Dass ein oder zwei nachgeholte Feiertage unsere angekratzte Work-Life-Balance wieder ins Lot bringen würden, scheint fürs Schorschla ein Trugschluss zu sein. Nein, in Sachen freie Tage und Arbeitswochenstunden werden wir in Deutschland sicherlich nicht ausgebeutet. Und ja: Jeder freut sich über den einen oder anderen freien Tag. Auch es Schorschla. Aber das gleicht sich alles im Verlauf eines normalen Berufslebens auch aus. Wir haben ganz andere Probleme auf unserem Globus. Was auch die entsprechenden Splittergruppen bei Linken und Grünen irgendwann erkennen sollten. 

PS: Die Meinung vom Schorschla muss nicht immer mit der der Redaktion übereinstimmen.

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