Unsitte „Beratungsraub“
Mal offen gefragt: Gehen Sie gerne Einkaufen? Sie wissen schon: Ein bisschen bummeln, manchmal völlig planlos, ein anderes Mal mit einem festen Ziel. Den Anzug für den runden Geburtstag, Skischuhe für den nächsten Winterurlaub, einen Tennisschläger für die Vereinsmeisterschaften. Was auch immer. Es Schorschla ist kein Shopping-Nerd, niemand der einfach nur mal so zum Zeitvertreib durchs Möbelhaus schlendert und dann mit einer neuen Couch nach Hause kommt. Aber wenn es Schorschla dann mal „on tour“ ist, dann schätzt es eines ganz Besonders: Eine fachkundige Beratung! Dabei spielt es keine Rolle, ob es um aktuelle Mode, den perfekten Ski, eine coole Sonnenbrille oder einen guten Tropfen Wein für die nächste Feier geht.
ABER: In einer Welt, in der der Online-Handel mit blitzschnellen Lieferungen und sofortigem Preisvergleich lockt, stehen die guten, ehrlichen Fachgeschäfte vor einer Schlüsselentscheidung: Wie bleibt der Laden lebendig, wenn der Kunde vor dem Kauf “noch einmal drüber schlafen” möchte und man genau weiß, dass er den Wunschartikel noch am Abend googeln und im Internet bestellen wird? Die ganz Dreisten fotografieren mit ihrem Handy sogar vor den Augen des Verkäufers das Etikett.
Ja, derartige Unsitten greifen immer mehr um sich, wie befreundete Einzelhändler dem Schorschla bestätigen. Ja, viele Menschen werden immer dreister. Und sind auch noch stolz über den „Beratungsraub“. Stolz erzählen sie dann im Freundeskreis, wieviel Geld sie gespart haben, weil sie die Fernreise nach der ausführlichen Beratung im Reisebüro doch selbst online gebucht haben oder was ihnen doch auf Amazon für Schnäppchen gelungen sei, nachdem Sie das Wunschprodukt versandkostenfrei sicherheitshalber in zwei Größen und zwei Farben bestellt haben. Wenn man eh zur Post muss, kommt es ja auf ein Teil mehr oder weniger nicht an. Fürs Schorschla ist diese Art von Geldsparen ein klassisches Armutszeugnis!
Persönliche Beratung ist wertvoll, kein Geschenk. Das sollte man nie vergessen. Und Bauernschlau hat wenig bis gar nichts mit Intelligenz zu tun. An diesem Punkt kommt die Idee einer Beratungspauschale, die bei einem Kauf dann zu 100 Prozent verrechnet wird, ins Spiel. Es Schorschla würde ein derartiges System gerne unterstützen, die Praxis-Profis erklären aber, dass eine faire Umsetzung im Tagesgeschäft leider nur schwer zu realisieren ist. Es stellt sich die schwierige Frage: Wo ist die Grenze, vom kostenlosen Kundenservice zur bezahlbaren Beratung?
Wie bei so vielen Dingen im Leben geht es auch hier um Respekt. Nicht ums Ausnutzen. Um Ehrlichkeit. Um den Gedanken einer funktionierenden Gesellschaft. Um den gesunden Menschenverstand. Denn wer den Einzelhandel und die Expertise von Fachpersonal schamlos ausnutzt, riskiert, dass diese Geschäfte ihre Türen für immer schließen. Denn es geht im Leben nicht nur um Produkte, sondern um Beziehungen: zwischen Kunde und Händler, zwischen Erfahrung und Vertrauen, zwischen Stadtviertel und Zukunft. Lassen Sie uns diese Beziehungen schützen und pflegen. Dann brauchen wir uns auch über verwaiste Innenstädte mit hässlichen Leerflächen keine Gedanken machen.
PS: Die Meinung vom Schorschla muss nicht immer mit der der Redaktion übereinstimmen.

