Ludwigslust-Parchin oder Ayers Rock
Ludwigslust-Parchim tendiert gegen „0“?
Es Schorschla ist ja so ein kleiner Weltenbummler. Die vergangenen Monate waren dabei nicht gerade die perfekte Spielwiese für diese Leidenschaft, aber zumindest im Geiste ist bekanntlich keine Reise unmöglich. Die Bilder im Kopf sind immer wunderbar, egal ob am Ayers Rock in Australien, beim Bergwandern in den Anden, Regenbogenfotos an den Iguazu-Wasserfällen in Südamerika oder grell-grün flackernde Polarlichter im hohen Norden oder tiefen Süden. Ja, im Traum hat es Schorschla schon unseren gesamten Globus bereist – nur ein Flug zur ISS oder einer dieser Weltall-Kurztrips, den sich die Reichsten der Reichen aktuell buchen, erscheint etwas zu abgehoben.
Aber zurück zur Realität. Wer aktuell einfach mal raus aus dem Alltag möchte, weil er seiner Seele eine dieser vielzitierten Luftveränderungen gönnen möchte, kommt nicht umhin, sich die aktuellen Corona-Vorschriften zu verinnerlichen. Beim Blick auf Zahlen, Inzidenzwerte, Grafiken und die offiziellen Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes wird dann schnell klar: Das Buchen eines unbeschwerten Urlaubs ist im Moment fast unmöglich. Einzige Ausnahme: Der Landkreis Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern. Kennen Sie nicht? Es Schorschla auch nicht. Aber ein Blick auf die rot bis dunkelrot, in weiten Teilen Bayerns und Sachsens schon fast schwarz eingefärbte Corona-Karte der Republik lenkt den Blick sofort auf diese Region. Denn der Landkreis Ludwigslust-Parchim erstrahlt in hellsten Blau. Fährt man dann mit der Maus über dieses skizzierte Fleckchen Erde wird die Überraschung noch größer. Denn dann erscheint folgender Text: „Im Landkreis Ludwigslust-Parchim wurden in den letzten sieben Tagen null Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner gemeldet“.
Zu schön um wahr zu sein. Dachte es Schorschla und klickte ein bisschen herum. Ein Blick auf die Webseite des Landkreises Ludwigslust-Parchim schafft dann schnell Klarheit. Denn dort wird auf einen IT-Angriff verwiesen. Bereits im Oktober berichtete der NDR von einem Hackerangriff auf die Computer der kommunalen Verwaltungen. Als Sicherheitsmaßnahme soll ein Landesnetz teilweise abgeschaltet worden sein. Auf der eigenen Webseite vermeldete der Landkreis Ludwigslust-Parchim kürzlich eine Sieben-Tage-Inzidenz von 76,5 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Stand 2.11.2021). Am Vortag habe die Inzidenz bei 83,6 gelegen. Der IT-Angriff hat offenbar zu weitreichenden Problemen bei der Übermittlung der Daten an das Robert Koch-Institut (RKI) geführt. Seit dem 22. Oktober 2021 beziffert das Covid-19-Dashboard des Instituts die Sieben-Tage-Inzidenz für Ludwigslust-Parchim auf 0. Beim Recherchieren hat es Schorschla auch herausgefunden, dass Ludwigslust-Parchim nicht mit Sehenswürdigkeiten gespickt ist, lediglich ein adrettes Backstein-Rathaus mit zwei Fahnen am Eingangstor ist dabei erwähnenswert.
Die ganze Story macht eines deutlich: Man sollte aktuell nicht blind auf Zahlen setzen, nicht jede Geschichte die „der beste Freund der Schwester“ oder „der Bruder vom Nachbarn“ erlebt hat, für bare Münze nehmen. Die Nerven vieler Mitmenschen sind an- und überspannt, Emotionen verhindern bei vielen längst das logische Denken. Es wird geschwurbelt, geschimpft, gehasst, beleidigt und verschwört – niemand hat eine fundierte und praktikable Lösung, wie wir aus dieser Pandemie wieder rauskommen können, jeder ist aber betroffen und hat sich sein Wunschbild im Kopf zurecht gelegt. Eine gefährliche Gemengelage bei explodierenden Fallzahlen, Hochbetrieb auf den Intensivstationen der Krankenhäuser, Existenzängsten und einer völlig neuen Zweiklassengesellschaft: Denn plötzlich geht es nicht mehr um arm oder reich, schwarz oder weiß, Mann oder Frau oder alt oder jung, sondern nur noch um geimpft oder ungeimpft. Ein völliger Irrsinn.
Da möchte man doch einfach nur weg. Weit weg. Zum Ayers Rock, in die Anden, den Iguazu-Wasserfällen oder Polarlichter-Watching. Wobei dort Corona leider auch ein Thema ist.