Keine Zeit für ein Interview?
Absolut nichtssagend
Es ist schon ein eigenartiger Wahlkampf. Die Dame, die rechnerisch vier Fußballweltmeisterschaften die Geschicke unserer Republik leitet(e), geht mit dem Herren, der so gerne ihr Nachfolger werden würde, im Hochwassergebiet spazieren. Ein außergewöhnlicher Regierungstermin der Bundeskanzlerin und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (beide CDU). Gemeinsam stapfen die beiden durch tiefen Boden, gefolgt von einer Entourage aus Bürgermeistern, Feuerwehrleuten und anderen Hilfskräften und senden ohne etwas zu sagen – und vor allem dumm zu lachen – gleich zwei Signale ans Wahlvolk.
Erstens: Die Kanzlerin und Kanzlerkandidat stehen zusammen. Zweitens: Armin Laschet steht das Wasser bis zum Hals. „Armin Laschet führt dieses größte Bundesland der Bundesrepublik Deutschland sehr erfolgreich“, sagte Merkel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Hagen und fügte hinzu: „Wer so ein Land führen kann, kann auch die Bundesrepublik im Kanzleramt führen.“ Die Unterstützung kommt spät. Sehr spät. Vielleicht sogar zu spät. Es ist das letzte Rettungsfloß für einen CDU-Kandidaten, der es schaffte, nicht einmal eine Naturkatastrophe in „seinem“ Bundesland in positive Aufbruchsstimmung wandeln zu können. Da hätte er mal bei Gerhard Schröder in die Lehre gehen sollen. Die Popularität der Kanzlerin soll auf den Unionskanzlerkandidaten abstrahlen, hofft die Partei. CDU und CSU befinden sich in einem historischen Umfragetief. Laschets persönliche Werte sind miserabel. Es kursieren bereits Planspiele in der Union, was passiert, wenn er die Wahl tatsächlich verlieren sollte. Bis vor wenigen Tagen galt parteiintern, dass Laschet sich das Kanzleramt allein „erkämpfen“ müsse, um nicht als „Merkel 2.0“ abgestempelt zu werden.
Ganz anders die Vorzeichen beim SPD-Herausforderer Olaf Scholz. Der macht nicht viel, gibt sich weltmännisch, macht anders als seine Mitbewerber keine blöden Fehler in Reihe und punktet damit kontinuierlich. Er steht plötzlich ganz oben in der Wählergunst – zumindest laut aktuellen Umfragen – strahlt auf Wahlplakaten und in Interviews und gewinnt so ganz viele „Merkel-Wähler“ für sich. Ja, der amtierende Vizekanzler und Bundesfinanzminister inszeniert sich sogar mit zur „Merkel-Raute“ geformten Händen. Auf einigen seiner Wahlplakate steht der Slogan „Er kann Kanzlerin“.
Kommen wir noch zur Dritten im Bunde, der einzigen weiblichen Kandidatin. Gut, es Schorschla ist stets bemüht, sich genderneutral zu äußern, aber wahrscheinlich schüttelt das Bündnis 90 seit Wochen verzweifelt mit dem Kopf über die scheinbar in Stein gemeißelte „Ladies first“-Strategie der Grünen. Jetzt hat die ehemalige Umweltpartei ihre Annalena ins Rennen geworfen und der Kronprinz an ihrer Seite kann nur damit glänzen, das Schlimmste zu verhindern. Wie wäre wohl die Stimmung im Lande, wenn Robert Habeck ins Kanzlerrennen geschickt worden wäre? Und Markus Söder?? Eines ist klar: Olaf Scholz wäre dann wohl das Schlusslicht im Kanzlertriell. Aber: Wäre, hätte, könnte, bringt knapp drei Wochen vor „DER WAHL 2021“ gar nichts mehr. Wir können uns alle nur wundern über die feixenden und oft auch peinlichen Auftritte der möglichen Merkelnachfolger*innen. Und Meldungen wie die vom Wochenende. „Aus Termingründen abgesagt: Bild am Sonntag (BAMS) druckt weiße Seite statt Baerbock-Interview. Der Hintergrund: Die Grünen-Kanzlerkandidatin hat eine Interviewanfrage abgelehnt – angeblich aus Zeitgründen. Die Springer-Wochenzeitung antwortete nun: mit einer fast leeren Seite. „Das ist Ihre Seite, Frau Baerbock!“ stand ganz oben. Und weiter: „Die Kanzlerkandidatin der Grünen hätte hier erklären können, wie sie nach der Bundestagswahl regieren will, wie sie tickt, welche Werte sie prägen.“ Nach wochenlangem Zögern habe Baerbock ein Interview abgelehnt, weil sich kein Termin habe finden lassen. Als Fußnote schrieb die Redaktion auf den unteren Rand der Seite, dass Baerbock die erste Grünen-Spitzenkandidatin sei, die vor einer Bundestagswahl keine Zeit für ein Interview mit der Zeitung habe. In der Vergangenheit hätten Joschka Fischer, Renate Künast, Jürgen Trittin, Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir mit dem Sonntagsblatt gesprochen. Übrigens: In den kommenden beiden Ausgaben bis zur Wahl werden Olaf Scholz und Armin Laschet noch an gleicher Stelle zu Wort kommen. Mal sehen ob sie mehr zu sagen haben …. !
PS: Die Meinung vom Schorschla muss nicht immer mit der der Redaktion übereinstimmen.
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