Eine Alternative zum Wein?
Die Kraft des Saftes
Bamberg ist eine Bierstadt. Nein. Falsch. Bamberg ist die Bierstadt! Da ist man sich am Regnitzufer einig. Aber auch Hopfenallergiker brauchen im Welterbe nicht zu verzweifeln, schließlich wird nur einen festen Steinwurf vom Domberg entfernt hervorragender Frankenwein angebaut. Wer jedoch gänzlich auf Alkohol verzichten möchte, kann zukünftig von einem frischen Getränketrend profitieren. Saft. Nicht irgendeine ausgepresste Frucht mit viel Zucker vermengt.
Nein. Hochwertiger, vitaminreicher Saft, ein echtes Luxusgut. Sofern man der PR-Maschinerie hinter diesem Naturprodukt glauben schenken mag. „Saft wird zum Luxusprodukt“. Über diese Zeile stolperte es Schorschla beim Lesen eines wunderbar glänzenden Barmagazins im Wartezimmer seines Hausarztes. „Für die Dame einen frischen 2020er Boskop vom Südhang? Oder darf es eher der 2019er sein? Und der Herr, vielleicht ein gut gereifter Kaiser-Wilhelm-Apfel von 2015?“ So beschreibt der Autor eine Szene in einem Gourmetrestaurant inklusive Saftsommelier. Ja, diese Ausbildung gibt es tatsächlich. Saftsommelier. Wahnsinn, oder? Es Schorschla kennt ja eigentlich aus seiner Jugend nur die etwas abfällige Anrede „Du alter Saftsack“. Aber auch hier haben sich die Zeiten scheinbar zum Positiven gewendet. Das „flüssige Obst“ wird nicht mehr nur zu Hause zum Durstlöschen getrunken, sondern eben auch auswärts. Die Zeiten, in denen Wein gesetzt war als Begleitung zum Essen, sind vorüber. Sommeliers von Welt servieren heutzutage gerne auch mal Bier, tischen japanischen Sake auf und sind sich nicht zu schade, Alkoholfreies anzubieten. Eine Jahrgangslimo. Schon irre. Saft ist keine Notlösung, sondern kann das Tüpfelchen auf dem i sein
Sturzbesoffen aus dem Sternerestaurant zu wanken, ist schon lange nicht mehr sozial akzeptiert, mittags sind die Weintrinker längst zur Minderheit geworden. Und es muss nicht immer nur Wasser sein. Ein gebratenes Zanderfilet korrespondiere eben perfekt mit einem frischen Rhabarbernektar, erfährt es Schorschla in besagtem Artikel. „Vor allem aufgrund der ziselierenden Säure“, erklärt der Saftkenner vollmundig. Der Fruchtzucker des Obstes könne mit erlesenen Inhaltsstoffen in Balance gebracht werden. Eine echte Wissenschaft also. Im besten Fall erreiche man eine Harmonie in hochwertigen Säften, die mit einem Bordeaux oder Chianti kaum hinzubekommen wäre. Klaus Heitlinger, Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Fruchtsaftindustrie, behauptet sogar: „Auch da, wo Chili oder reichhaltige Gewürze einen Wein in die Knie zwingen würden, harmonieren Fruchtsäfte mit ihrer Balance aus Süße und Säure wirklich gut zum Essen.“
Im letzten Absatz des Artikels kommt Werner Retter, Chef eines Obsthofes im steirischen Pöllau, zu Wort. Er entwickelte vor ein paar Jahren die „Edition Sommelier“, Säfte aus Wildfrüchten. Preiselbeeren, Heidelbeere, Kirsche, alle mühsam mit der Hand gesammelt, was auch den hohen Preis von 48 Euro pro Flasche erklärt. Saftig, werden Sie sagen. Und es Schorschla rechnet schon einmal im Kopf aus, wie viele Bocksbeutel oder Literflaschen Sternla-Maibock er für den gleichen Preis in sein Kellerregal legen könnte. Und trifft eine Entscheidung. Spontan und aus dem Bauch heraus. „Juice Pairings“, die perfekte Abstimmung von Säften auf jeden einzelnen Gang, kommt ihm aktuell noch zu früh im Leben. Es Schorschla ist dafür einfach noch nicht reif genug, um in der Saftsprache zu bleiben. Aber wem’s schmeckt: Zum Wohl. Auf die Gesundheit!
PS: Die Meinung vom Schorschla muss nicht immer mit der der Redaktion übereinstimmen.
Wer möchte es Schorschla hören? Hier gehts zum Podcast