Interview mit Wolfgang Heyder
Seit einigen Wochen fehlt im WOBLA eine beliebte Rubrik: Der Wochenend-Wegweiser. Aus gutem Grund. In Corona-Zeiten wurden so viele Veranstaltungen abgesagt, dass dieser Kalender mit seinen individuellen lokalen Ausgehtipps einfach nicht mehr zu füllen war. Wolfgang Heyder, Geschäftsführer des Veranstaltungsservice Bamberg, kann ein Lied zu diesem Thema singen. Der gesamte, bestens gebuchte Konzertfrühlind und Sommer hat sich in Luft aufgelöst, wann es in Franken endlich wieder musikalisch und kabarettistisch weiter gehen wird steht aktuell noch in den Sternen. Das WOBLA hat sich mit dem engagierten und immer positiv nach vorne blickenden Event-Manager getroffen, um nachzufragen, wann Stadt und Landkreis Bamberg wieder richtig gerockt werden.
WOBLA: In Bayern sind am 15. Juni einige Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus wieder gelockert worden. Unter anderem dürfen laut offizieller Pressemitteilung wieder alle Kinos, Theater und Konzerthallen geöffnet werden. Ist das ein Wendepunkt nach dem konzertanten Tiefschlag der Veranstaltungsbranche?
Wolfgang Heyder: Die Lockerungen, die seit 15. Juni gültig sind, sind höchstens ein Tropfen auf den heißen Stein – wenn überhaupt. Wir als freier Veranstalter können mit 50 bzw. 100 Besuchern nicht einmal im Ansatz ein angemessenes wirtschaftliches Konzept entwickeln. Das mag für öffentliche Institutionen anders sein, hier übernimmt die öffentliche Hand sämtliche Defizite, was bei uns ja mit Nichten der Fall ist.
Aktuell fehlt der gesamten Branche jede Form von Planungssicherheit. Es gibt Verbote, Hygiene- und Abstandsvorgaben, aber keine Genehmigungen oder positiven Nachrichten. Eine existenzbedrohende Situation für kleine und große Veranstalter!
WH: Mit Sicherheit. Wir sind notgedrungen dabei auch sämtliche Veranstaltungen im Herbst bis Dezember, das sind nochmal ungefähr 70, abzusagen bzw. zu verlegen. Das „Hurra“ schreien der Bayrischen Regierung können wir, wie viele andere, überhaupt nicht nachvollziehen. Ohne Frage ist die jetzige Situation für eine gesamte Branche existenzbedrohend. Das gilt für kleine und große Veranstalter, für jegliche Dienstleister, für Einzelfälle, natürlich für Künstler. Zumal ja keinerlei Perspektive zu erkennen ist und von der Politik auch nicht einmal eine Ahnung zur Verfügung gestellt wird.
Ein ganzer Wirtschaftszweig liegt ja aktuell brach: Künstler, Veranstalter, Security- und Cateringfirmen, Licht- und Tontechniker und und und. Wie viele Arbeitsplätze sind davon betroffen, wie hoch ist der finanzielle Schaden, gibt es große Hilfsprogramme ähnlich der Lufthansa oder großen Reiseunternehmen?
WH: Richtig, ein ganzer Wirtschaftszweig liegt aktuell brach, wir sprechen von einem kompletten Berufsverbot, wobei wieder einmal absolut deutlich wird, dass Kultur in unserer Gesellschaft wenig Stellenwert hat. Wer redet darüber, dass es in der Veranstaltungsbranche 3 Millionen Erwerbstätige gibt, mit 210 Milliarden Umsatz, 3 Prozent vom Bruttosozialprodukt? Das Ganze wird mit einer Milliarde Euro unterstützt bzw. subventioniert. Sieht man dabei mal die Lufthansa mit 35 000 Beschäftigten und 16 Milliarden Umsatz, da werden mal schnell 9 Milliarden Euro locker gemacht. Das Unwort von Corona ist für mich „Systemrelevanz“. Denn für mich ist klar, dass Kultur jeglicher Art (Theater, Musik, Klassik oder Kabarett) als Ausgleich in unserer Gesellschaft, als Gefühls- und Emotionsmodul mehr als wichtig sind und dass man das nicht so einfach unter den Teppich kehren sollte. Die Gefahr ist leider sehr groß, dass viele Künstler, kleine Veranstalter, freie Kultureinrichtungen und deren Dienstleister nach Corona komplett von der Bildfläche verschwinden werden.
Blicken wir auf den lokalen Markt, auf die vielen Künstlerinnen und Künstler, über die das WOBLA in normalen Zeiten so gerne berichtet (hat). Wie ist die Stimmung im WOBLA-Land, wann wird es wieder heiße Rhythmen auf den vielen wunderschönen Arenen in Franken geben?
Wenn ich das wüsste, würde es mir sicherlich besser gehen. Momentan ist nicht abzusehen, wann wieder, ob in kleinen Clubs, im Theater, auf Open-Air-Bühnen oder in Konzerthallen heiße Rhythmen, Stimmung oder musikalische Shows stattfinden können.
Die großen Open-Airs in Eyrichshof in Coburg und den vielen anderen Freilichtbühnen sind längst abgesagt, einige Konzerte wurden bereits ins Jahr 2021 verschoben. Wann rechnen Sie wieder mit einem normalen Betrieb? Und wird es Konzerte mit 10.000 oder gar 15.000 Besuchern in absehbarer Zeit überhaupt irgendwo geben?
Die Hoffnung stirbt natürlich zuletzt. Wir wünschen uns und kämpfen mit allem was wir haben dafür, dass 2021 in Coburg, Eyrichshof, auf Banz oder der Seebühne wieder ein normaler Betrieb stattfinden darf. Aber die Zukunft der gesamten Veranstaltungsbranche steht momentan noch in den Sternen. Viel wird davon abhängen, ob bzw. wann es in absehbarer Zeit einen Impfstoff oder Arzneimittel gegen Corona geben wird.
Die Corona-Pandemie bringt sicherlich auch Ihr eingespieltes und hochmotiviertes Team mental und finanziell an die Grenzen. Was wünschen Sie sich für die kommenden Wochen und Monate und was kritisieren Sie am meisten an den Vorgaben der Politik in diesen schwierigen und ganz besonderen Zeiten?
WH: Ich denke, dass wir als Team bisher gut zusammenhalten. Wir haben für uns auch kalkuliert, dass wir die Krise bis Ende 2020 auf jeden Fall durchstehen. Für uns ist wichtig, dass die Politik eine klare Perspektive und Planungssicherheit aufzeigt. Aus meiner Sicht haben die Politiker in Deutschland einen tollen Job gemacht, ich bin mehr als froh hier zu leben. Aber wichtig wird es jetzt sein, Angst und Panik aus der Gesellschaft zu nehmen und eine positive Grundstimmung zu schaffen – sonst wird die Wirtschaft nicht ins Laufen kommen. Ich denke es wird auch wichtig sein, sehr differenzierte Lösungen und Entscheidungen nach Region, nach Location, aber auch nach Situation zu treffen.
Letzte Frage: Für abgesagte Konzerte erhalten die Musikfans aus nah und fern aktuell Gutscheine. Wann und wie können Sie diese einlösen und gibt es Veranstaltungshighlights, die uns alle im kommenden Jahr für die konzertfreie Zeit entschädigen werden?
Die Gutscheinlösung ist für uns wichtig um die Liquidität in den nächsten Monaten nicht komplett zu verlieren. Auch der Kunde verliert nichts, sondern kann den Gutschein jederzeit für viele andere Events einlösen – und das über mehrere Jahre. Der Gesetzgeber hat ja auch geregelt, dass der Kunde in Härtefällen das Geld zurückerhält und Ende 2021 kann dann auch von jedem das Geld zurückgefordert werden. Es sind viele Konzerthighlights in der Pipeline, aber momentan scheuen sich Künstler wie Tourneeveranstalter den Vorverkauf zu eröffnen, zumal ja sehr viele Veranstaltungen in das Jahr 2021 verlegt wurden. Schon heute haben für 2021 schon über 300 Veranstaltungen im Vorverkauf.
Wir danken für das Gespräch!
Fotonachweis: Flussparadies Frannken