Hurra, ein Junge!

Kurze Corona-Auszeit

Es Schorschla braucht heute einmal eine kurze Corona-Auszeit. Zumindest zum Einstieg in diesen Artikel. Während nämlich sämtliche Sportligen rund um den Globus ruhen, die Fußball-Europameisterschaften und die Olympischen Spiele aufs nächste Jahr verschoben sind und sich auch Lewis Hamilton und Sebastian Vettel im Leerlauf-Modus befinden, sorgt der ehemalige „Mr. Formel 1“ Bernie Ecclestone für außergewöhnliche Schlagzeilen: Er wird mit 89 Jahren erneut Vater. „Ja, im Sommer ist es so weit. Wir hatten ja nach meiner Formel-1-Zeit auch genügend Zeit zum Üben“, erklärt der Brite, der seit 2012 mit der 44-jährigen Brasilianerin Fabiana Flosi verheiratet ist. Und stolz fügt er hinzu: „Es wird ein Bub.“ Es Schorschla kann da nur neidlos gratulieren.

Aber in was für eine Welt wird der kleine Ecclestone gesetzt? Hoffen wir mal für ihn und uns, dass sich bis Sommer wieder einiges normalisiert hat. Dass die im Grunde unantastbaren Grundrechte, für die Menschen rund um den Globus über Jahrhunderte gekämpft haben, nicht weiter im Namen des Corona-Virus ausgehebelt werden. Dass wir uns mit Freunden wieder treffen dürfen, ohne als potenzielle Infektionsherde gebrandmarkt zu werden. Dass wir auch wieder mit Bekannten in der Sonne spazieren gehen, die nicht bei uns wohnen oder das Bett mit uns teilen und dadurch keine Geldstrafen im dreistelligen Bereich riskieren. Dass Geschäfte und Dienstleister wieder geöffnet haben, dass wir wieder durch die Innenstadt bummeln, Konzerte besuchen, einen Espresso unter freiem Himmel trinken und auf dem Bierkeller ein Seidla und eine Hausmacherplatte genießen. Ja, darauf freuen wir uns alle, wir können es im Grunde gar nicht erwarten, bis diese eigentlich normalen und plötzlich auf einmal doch ganz besonderen Dinge wieder unseren Alltag im Leben füllen. 

„Ausgehbeschränkungen“ ist fürs Schorschla ohnehin schon jetzt das „Unwort des Jahres“. Klar, wir Deutschen sind ein diszipliniertes Völkchen, wir halten uns an Regeln, sind diese auch noch so fragwürdig. Unser Gesundheitssystem muss halten, Ärzte dürfen nicht entscheiden müssen, welcher Patient beatmet und welcher geopfert wird. Soweit darf es in unserer Bundesrepublik nicht kommen, genau deshalb respektieren wir die Verbote von Markus Söder und seinen Kollegen. Warum man aber in ganz Deutschland sich zu zweit die ohnehin schwierige Zeit unbeschwert vertreiben darf, in Bayern dies aber mit hohen Geldstrafen belegt wird, dass versteht man wohl nur im Maximilianeum. 

Ganz schwierig wird die Lage, wenn wir uns weiter zu völlig psychopathischen Denunzianten entwickeln. Wenn Personen die Polizei alarmieren, weil der Nachbar am Gartenzaun mit einem Spaziergänger spricht und man sicher ist, dass der Mindestabstand dabei nicht eingehalten wird. Wenn sich Radfahrer, Jogger und Fußgänger beschimpfen, weil keiner dem anderen richtig ausweichen möchte. Wenn das Einkaufen zur Mutprobe wird, weil einige Mitmenschen offensichtlich in den Rambo-Modus wechseln, sobald sie die eigene Wohnung verlassen.  

Bei aller Corona-Hysterie: Wir alle dürfen nicht durchdrehen. Lassen Sie uns doch den Ausnahmezustand ausnahmsweise einmal sinnvoll, respektvoll, mit der nötigen Rücksicht aufeinander, hilfsbereit und freundlich bewältigen. Das würde vieles so viel einfacher machen. Wir brauchen keine Möchtegern-Hilfssheriffs – nicht vor, nicht während und nicht nach Corona. Der Hamburger Soziologe und Polizeiforscher Rafael Behr warnt schon jetzt: „Die Denunziationsbereitschaft wird ebenso zunehmen wie die Solidarität. Es kann gut sein, dass eine Art informelle Moralüberwachung entsteht, die sich bereits jetzt schon punktuell zeigt“, so Behr. „Das vergiftet die sozialen Beziehungen und Zivilisationsregeln.“

Rücksicht und Umsicht sind in der Coronakrise zweifellos das Gebot der Stunde, Hinweise an die Behörden können auch dem Allgemeinwohl dienen. Aber die neuen Regeln bieten zumindest bisher unbekannte Möglichkeiten, auch persönliche Rechnungen zu begleichen. „Wer neidisch ist auf seinen Nachbarn, hat jetzt Gelegenheit, ihn wegen kleinster Verstöße gegen Corona-Regeln anzuschwärzen“, prophezeit Behr schon heute. Traurig, aber wohl wahr! 

PS: Die Meinung vom Schorschla muss nicht immer mit der der Redaktion übereinstimmen.

 

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