Helau und Alaaf!
Jetzt steht er wieder im Kalender: Der Höhepunkt der fünften Jahreszeit, die närrischsten Tage des Jahres. Auch wenn es aktuell so wirkt, als hätten wir 365 – oder in diesem Jahr sogar 366 – Tage des Irrsinns, so sind der Rosenmontag und Faschingsdienstag doch auch anno 2020 noch etwas Besonderes. Nicht nur in den Karnevalhochburgen Mainz, Düsseldorf und Köln, sondern überall dort, wo gut gelaunte Menschen ausgelassen feiern möchten, dürfen und können.
Es Schorschla hat sich zu Schulzeiten immer gern verkleidet. Meistens als Cowboy, die Plastikrevolver mit den kleinen roten Pulverplättchen waren immer ein Knaller. Aber auch als Häuptling, als Sherlock Holmes und auch als Surferboy gab es eine gute Figur ab. Für ein paar Stunden in eine andere Rolle schlüpfen, mit den Kumpels feiern und ein paar bis heute legendäre Feiern zu schmeißen, das waren echte Sternstunden. Unbeschwert, überdreht, witzig, ausgelassen – aber niemals tiefsinnig, verhöhnend oder fremdenfeindlich.
Ja, so war das früher mal. Da trug man schon in jüngsten Jahren beim farbenfrohen Umzug in Memmelsdorf, in der Gartenstadt oder wo auch immer stolz Federschmuck und Kriegsbeil und kam gar nicht auf den Gedanken, dass sich irgendwo im echten Wilden Westen ein richtiger Häuptling am Lagerfeuer vor seinem Tipi diskrimiert fühlen könnte. Nicht als Kind und nicht als Eltern. Heute zermartern sich Entwicklungspsychologe wie Malte Mienert wochenlang den Kopf und fragen sich, ob Kinder überhaupt Karneval feiern sollten. Mienert ist Jahrgang 1975, studierte Psychologie an der Humboldt-Universität Berlin, ist seit Mai 2019 als Professor assoc. an der Swiss School of Management (SSM) tätig und leitet dort das Studienprogramm in frühkindlicher Bildung. „Über die Frage, ob man Karneval in der Krippe oder Kita feiern kann und soll, diskutiere ich seit Jahren mit sehr vielen Einrichtungen. Eltern und Erzieher sollten dabei nicht über Brauchtum streiten, sondern die Bedürfnisse und Interessen der Kinder im Blick haben. Und da ist die Antwort ziemlich klar: Karneval mit Verkleidungen hat in Einrichtungen mit Kleinkindern nichts zu suchen“, sagt Meinert und begründet seine Meinung. „Wir wissen, dass Kita-Kinder den Transformationsprozess beim Verkleiden nicht nachvollziehen können – nicht einmal dann, wenn die Veränderung direkt vor ihren Augen passiert und es sich obendrein um eine vertraute Person handelt. Da kann mitunter schon eine Brille oder eine andere Haarfarbe dafür sorgen, dass sie diesen Menschen nicht mehr wiedererkennen. Das Argument, so etwas schade den Kindern ja nicht, lasse ich nicht gelten. Es geht in Krippe und Kita um Bedürfnisse und Lebenswohl der Kinder – und um nichts anderes“.
Es müsse einen verantwortungsvollen, entwicklungspsychologisch vertretbaren Umgang mit dem Verkleiden geben. Wenn Kinder vier Jahre und älter sind, gehen sie normalerweise zu Rollen- und Fantasiespielen über. Freiwillig und aus Eigeninteresse sollten sie sich dann auch verkleiden können – aber eben: freiwillig.
Es geht natürlich wie so oft gar nicht um das Wohl und den Spaß der Kinder. Es geht um die Besserwisserei der Erwachsenen, um die Frage: „Wer hat das bessere, modernere, aufgeklärtere Erziehungskonzept hat?“ Meinerts Tipp: Wenn sich Kita-Einrichtungen oder Krippen gegen Verkleidungen an Karneval aussprechen, sollten die Eltern dies akzeptieren und nicht vom kulturellen Untergang des Abendlands sprechen.
Umgekehrt sollten Erzieher und Erzieherinnen aber auch die Eltern nicht belehren wollen, wenn diese mit dem Nachwuchs zu Faschingsfeiern und -umzügen gehen. Zwei Spielfelder – hier die Kita, dort das Private. Ganz einfach. Es Schorschla findet diese Lösung ganz in Ordnung, das passt in unsere Zeit. Jedem das Seine und nur nicht aufregen. Wenn die Enkel dann zu Besuch kommen, dann wird mit den Kleinen rumgealbert wie anno dazumal: Als Sheriff oder Apache. Und bevor es langweilig wird, gräbt der Opa im Garten lieber noch den Klappstuhl aus. Immer wieder ein Spaß für die ganze Familie. In diesem Sinne: Helau und Alaaf!
PS: Die Meinung vom Schorschla muss nicht immer mit der der Redaktion übereinstimmen.