Im Gespräch: Martin Sonneborn
der o-ton
Heute im Gespräch:
Der EU-Abgeordnete, Satiriker und Buchautor Martin Sonneborn
„Wer sich für Satire entscheidet, musste früher zur TITANIC“
Martin Sonneborn, geboren 1965 in Göttingen, ist Mitherausgeber des Satiremagazins „TITANIC“. Damit aber nicht genug: Für „Die PARTEI“ – also seine Partei – sitzt er im EU-Parlament und sorgt mit außergewöhnlicher Wahlwerbung, streitbaren Kommentaren zum Weltgeschehen und mehr oder minder verrückten Buchveröffentlichungen und Filmen immer wieder für Schlagzeilen. Am Donnerstag, 06.03., ab 19.30 Uhr liest der Autor einer Magisterarbeit „über die absolute Wirkungslosigkeit moderner Satire“ im Hallstadter Kulturboden.
WOBLA: Herr Sonneborn, Ihr Vater war als Berufsberater aktiv. Ist er mit Ihrer Berufswahl wirklich zufrieden?
Martin Sonneborn: Klar, er hat mir doch geraten, in die Satire zu gehen, da würden immer gut Leute gesucht. Ich habe mich 2017 revanchiert, als ich ihn zum Bundespräsidenten vorgeschlagen habe. Leider bekamen wir nur 10 Stimmen in der Bundesversammlung, Steinmeier gewann mit fast 1000.
Sind Sie ein satirischer EU-Politiker? Oder eher ein politischer Satiriker? Kann man heutzutage die aktuelle Politik überhaupt noch aus einem satirischen Blickwinkel betrachten, oder ist das ganze Spektakel in Berlin, Brüssel und rund um den Globus nicht schon unfreiwillige Satire genug?
Ich würde sagen, ich betreibe Politik mit satirischen Mitteln. Eigentlich ist das Ganze ja eine aus dem Ruder gelaufene TITANIC-Aktion. Wir haben Die PARTEI 2004 eigentlich nur gegründet, weil wir nicht mehr wussten, was wir guten Gewissens auf den Wahlzetteln ankreuzen können. Dass meine Partei mich mal als Altlast nach Brüssel abschieben würde, konnte ich nicht ahnen...
Welche Aktion(en) machen Sie im Nachhinein gesehen noch richtig stolz? Und auf welche würden Sie rückblickend lieber verzichtet haben?
Dass wir mit ein paar Bestechungs-Faxen an das FIFA-Komitee die Fußball-WM 2006 nach Deutschland holen konnten, war sicherlich die folgenreichste Aktion. (Steht bei Wikipedia schön erklärt.) Die FAZ hat ausgerechnet, dass wir unserem Land damit einen Milliardengewinn beschert haben. Mit gemischten Gefühlen betrachte ich die Kriegserklärung an Jugoslawien, die ich 1999 abgegeben habe, weil der Bundespräsident das „vergessen“ hatte. Die war zwar lustig, aber die Bundeswehr hat damals völkerrechtswidrig Belgrad angegriffen.
Im Wahlkampf für die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin 2011 ließen Sie sich mit schwarz angemaltem Gesicht und dem Slogan „Ick bin ein Obama“ ablichten. Damals vielleicht noch witzig, heute wohl undenkbar. Verändert sich der Humor mit den Jahren?
Also ich finde es auch heute noch witzig. Wir wollten dem unfassbaren Obama-Hype in Deutschland etwas entgegensetzen. Der Friedensnobelpreisträger Obama hat ja mehr Krieg geführt als sein Vorgänger.
Heute sind Sie Mitherausgeber „TITANIC“. Sie haben 1994 über dieses Satiremagazin Ihre Magisterarbeit geschrieben und übernahmen im Jahr 2000 den Job des Chefredakteurs. Hat Sie die legendäre Buntstiftwette bei „Wetten, dass …?“ nachhaltig geprägt oder sind Sie zufällig in diese Redaktion gerutscht?
Es gibt vier, fünf Möglichkeiten, auf den vollends irre gewordenen Kapitalismus zu reagieren – Mitspielen, bewaffneter Untergrund, Alkohol, Politik, Satire. Und wer sich für Satire entscheidet, musste früher zur TITANIC. Es macht die Umstände etwas erträglicher, wenn man mit einem guten Witz reagieren kann.
2013 läuft bei ZDF-Neo der Dreiteiler „Sonneborn rettet die Welt“ (Grimme-Preis), 2019 schrieben Sie das Buch „Herr Sonneborn geht nach Brüssel“. Können Sie den Gästen am Donnerstag im Kulturboden in einfachen Worten und kurzen Sätzen erklären, wie Sie unser Land, Europa und den gesamten Globus retten möchten?
Smiley! Das könnte kein Mensch. Ich werde es anhand von bunten Bildern, mitgefilmten Reden aus dem EU-Parlament und langanhaltenden Schachtelsätzen versuchen.
Können Sie bitte abschließend noch Ihren Europa-Wahlslogan „Europa nicht den Leyen überlassen“ für die WOBLA-Leserinnen und -Leser erklären?
Aber gern. Die Kommissionspräsidentin, die uns gerade in fast majestätischer Anmutung regiert, obwohl in Belgien mehrere Gerichtsverfahren wegen Korruption, Verschleierung und Amtsanmaßung gegen sie laufen, heißt Ursula von der Leyen. Und wenn wir die EU den Leyen überlassen, werden wir hunderte Milliarden in Waffen investieren, statt in Diplomatie, Bildung und Infrastruktur; oder die marode Bamberger Altstadt.
Herr Sonneborn, vielen Dank für das Gespräch.
Gern. Als Abgeordneter habe ich viel Tagesfreizeit.
Karten für den Abend mit Martin Sonneborn am Donnerstag, 06.03., ab 19.30 Uhr im Hallstadter Kulturboden gibt es noch im Vorverkauf beim Kartenkiosk Bamberg, Tel. 0951 / 23837 oder an der Abendkasse.
Foto: Mathieu CUGNOT – European Union 2022