Ist das nicht traurig?
Stolz auf Scholz?
Der vergangene Mittwoch war irgendwie das politische Armageddon. Erst gewinnt Donald Trump souverän die US-Präsidentschaftswahl gegen Kamala Harris und alle sieben „swing states“. Und am Abend tritt Bundeskanzler Olaf Scholz vor die Kameras und erklärt, dass er eben Finanzminister Christian Lindner entlassen habe und damit die politische Berliner Ampel (endlich) Geschichte ist. „Wir brauchen eine handlungsfähige Regierung, die die Kraft hat, die nötigen Entscheidungen für unser Land zu treffen. Darum ging es mir in den vergangenen drei Jahren. Darum geht es mir jetzt“, erklärte Scholz in geradezu kämpferischem Ton. Und er redet sich offensichtlich immer mehr in Rage. „Zu oft wurden die nötigen Kompromisse übertönt durch öffentlich inszenierten Streit und laute ideologische Forderungen. Zu oft hat Bundesminister Lindner Gesetze sachfremd blockiert. Zu oft hat er kleinkariert, parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen“. Wow. Es Schorschla traute seinen Augen und Ohren kaum noch. Unser Kanzler kann Emotionen, Olaf hat Puls und schreckt auch vor der Vertrauensfrage im Bundestag nicht zurück.
Beeindruckend. Die beste Rede, die er je gehalten hat, sind sich die Stammtischkumpels schnell einig. Und trotzdem ist es Schorschla am Ende enttäuscht. Denn wenn man etwas nachdenkt, könnte man heulen, dass unser Olaf eine ganz große Chance auf positive Veränderung im Land verpasst hat. Wieso, fragen Sie? Ganz einfach: Weil er nach dem gelben, nicht gleich auch das grüne Licht von der Ampel ausgeschaltet hat. Das wäre des Guten doch zu viel, meinen Sie? Es Schorschla sieht das anders. Und erklärt nachfolgend in aller Kürze auch warum.
Herr Scholz möchte in den nächsten Tagen und Wochen gemeinsam mit Oppositionsführer Friedrich Merz die wichtigen Probleme im Lande angreifen und lösen. Den Haushalt verabschieden. Die Unterstützung für die Ukraine ausweiten. Weichen für die angeschlagene Wirtschaft stellen. Klingt redlich, aber doch auch sehr naiv. Denn wieso sollen die Schwarzen wenige Wochen oder Monate vor Neuwahlen dem Kanzler aus der Patsche helfen? Vor allem vor dem Hintergrund, dass Herr Habeck als verbliebenes zweites Ampelmännchen sich gleichzeitig in Position bringt und jeden möglichen Erfolg für die Zweilichterampel proklamieren würde.
Da hat der Kanzler seine Emotionen vor die politische Logik gestellt. Denn ganz ehrlich: Kaum jemand möchte aktuell überhaupt Neuwahlen. Nicht die Wirtschaft, auch nicht die politische Mitte. Und ob die nächste Abstimmung im Februar oder März nachhaltige Mehrheitsverhältnisse mit sich bringen wird, steht in den Sternen und ist eigentlich sogar eher unwahrscheinlich. So steigt die Unsicherheit im Lande weiter an, größere Investitionen wird vorerst kein Unternehmen wagen, die Arbeitnehmer haben Angst um ihre Arbeitsplätze und halten das Geld zusammen, was wiederum das Horrorszenario für den Handel ist.
Wäre es nicht viel cleverer gewesen, die Ampel komplett aufzulösen und in einer Minderheitenregierung die CDU/CSU mit ins Boot zu holen, die freien Ministerposten an Experten aus Industrie und Wirtschaft zu vergeben und bis zu den bereits terminierten Wahlen im September souverän in einer großen Koalition, der sich alle bürgerlichen Kräfte und Freunde der Demokratie anschließen könnten? Sinnvolle und tragfähige Vorschläge würden so sicher Mehrheiten finden, das Volk könnte verlorengegangenes Vertrauen zurückgewinnen und die Industrie hätte keinen weiteren Stillstand und keine aussichtslosen Koalitionsverhandlungen zu befürchten. Posten- und Parteigeschacher, wie jüngst von Volker Wissing auf Championsleague-Niveau präsentiert, sind ein Armutszeugnis für unsere Politik. Ein Mann, der als Bundesminister für Digitales und Verkehr die Bundesrepublik Deutschland seit Dezember 2021 ganz sicher noch nicht auf ein internationales Spitzenniveau gehoben hat, soll nun nebenbei noch als Justizminister glänzen? Wie schwachsinnig ist denn diese Idee!
„Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ich hätte Ihnen diese schwierige Entscheidung gern erspart. Erst recht in Zeiten wie diesen, in denen die Unsicherheit wächst“, entschuldigte sich Olaf Scholz am Mittwoch förmlich bei seinem Wahlvolk.
Ja, die Ampelende-Rede vom Mittwoch war auf den ersten Blick ein dröhnender Paukenschlag. Aber eben auch eine verpasste Chance. Eine, die Herr Scholz so schnell nicht wieder bekommt. Übrigens auch unser Land nicht mehr. So wird in den nächsten Tagen parteiübergreifend herumgeeiert werden, um den perfekten Termin für die Vertrauensfrage und die Bundestagswahl 2025 zu finden. Dann schreiten wir alle irgendwann im Frühling an die Wahlurnen und anschließend wird es erst richtig wild werden mit all den Wagenknechts und Höckes und Linken und Rechten. Das hätte man ganz leicht verhindern können, gerade vor dem Hintergrund, dass diese vieldiskutierte Kanzlerrede ja alles andere als spontan gehalten wurde. Ein einziger Anruf vom Olaf beim Schorschla hätte schon genügt. Ist das nicht traurig?