Dr. Jörg Cuno, Palliativmediziner
der o-ton
Heute im Gespräch: Palliativ-Mediziner Dr. Jörg Cuno
Viele Menschen haben den Wunsch nach einem selbstbestimmten Sterben. Wie geht ein Arzt damit um? Wir haben mit dem Palliativmediziner Dr. Jörg Cuno darüber gesprochen, ob und wie er einem Patienten beim Sterben helfen kann und darf, und wann und wie sich ein Sterbewunsch vielleicht zurücknehmen lässt. Bei Ihrer Arbeit geht es ja meist um die Gestaltung einer würdigen letzten Lebensphase. Aber was, wenn ein Patient Ihnen sagt, dass er nicht mehr leben will und Sie um Hilfe bittet oder fragt, welche Möglichkeiten er hat? Was sagen Sie ihm?
Dr. Jörg Cuno: Das passiert häufiger seit dem Fall des Verbots der geschäftsmäßigen Sterbehilfe durch das Urteil von 2020, weil viele denken, sie könnten sich sozusagen mit Hilfe eines Arztes aus dem Leben verabschieden. So einfach ist das aber nicht. Im Bereich der Sterbehilfe gibt es viele Facetten.
Welche sind das? Und welche sind erlaubt?
Dr. Jörg Cuno: Da gibt es die aktive Sterbehilfe. Jemand verabreicht mir etwas, auf Grund dessen ich dann sterbe. Die sogenannte Tatherrschaft liegt beim Arzt oder bei einem Dritten sozusagen. Das ist in Deutschland strafbar. Die Menschen verwechseln das oft mit dem (erlaubten) assistierten Suizid, bei dem die sogenannte Tatherrschaft beim Patienten liegt. Er muss sich selbst das Medikament zuführen, ohne Hilfe. Der Behandler bleibt straffrei. Aber: Es schaltet sich immer danach die Staatsanwaltschaft zur Überprüfung ein. Es sollten auch zwei unabhängige Ärzte mit einem zeitlichen Abstand darüber entscheiden, um die Nachhaltigkeit des Patientenwillens festzustellen. Die (erlaubte) passive Sterbehilfe bedeutet, dass ich keine weiteren lebensverlängernden Operationen, Dialyseformen oder Infusionen etc. durchführe, auch keine weitere Beatmung eines Sterbenden. Ein Patient kann das in einer Patientenverfügung so bestimmen.
Keine weitere Beatmung … Erstickt er dann nicht?
Dr. Jörg Cuno: Ersticken ist ein subjektives Gefühl, vor dem die Menschen Angst haben. Unter einer hochqualifizierten medikamentösen Therapie z. B. über sedierende und angstlösende Maßnahmen wird diese Wahrnehmung übergangen und der Patient verstirbt ohne Leidensdruck. Es muss aber bei der Anwendung klar sein, dass der Patient in einer palliativen Situation ist. Die indirekte Sterbehilfe ist im Prinzip die Möglichkeit, den Patienten durch eine gezielte Medikamentengabe zur Linderung bei immer mehr Medikamenten bei immer höherer Symptomlast am Ende zu einer Kreislaufkomprimittierung gebracht zu haben, an der er dann verstirbt. Das Ziel der indirekten Sterbehilfe war ja nicht das Sterben, sondern die Symptomlinderung. Auch sie ist darum erlaubt.
Was ist eine palliative Sedierung?
Dr. Jörg Cuno: Das ist im Prinzip eine Sedierung unter Symptomlast. Man lässt jemanden schlafen, in der Hoffnung, dass der Schlaf über eine vorübergehende Zeit hilft, das bestehende Problem zu beheben. Sie ist dann angedacht, wenn ich keine andere Möglichkeit mehr habe, dem Patienten außer durch Schlaf gerecht zu werden – in einer Phase, in der ich sowieso davon ausgehe, dass der Patient innerhalb der nächsten Tage, in ein, zwei Wochen stirbt. An der Grunderkrankung. Niemals darf er durch die palliative Sedierung oder deren Maßnahmen (u. a. Beendigung von Flüssigkeitszufuhr, Beendigung von Nahrung) sterben. Dann hätte ich eine Art (strafbare) „Tötung auf Verlangen“.
Was ist der Grund für einen Sterbewunsch und lässt er sich wieder ändern?
Dr. Jörg Cuno: Patienten, die sterben wollen, nennen u. a. auf Nachfrage oft Beschwerdebilder wie Angst, Schmerzen etc. Oder nicht zur Last fallen zu wollen. Wenn man diese Beschwerden und Sorgen lindert, die Not dieser Patienten dann wieder (weitestgehend) behoben ist, ist deren Wunsch zu sterben überhaupt nicht mehr so präsent.
Vielen Dank für diesen Einblick, der klar macht, dass eine befriedigende Lösung für alle Beteiligten nicht einfach ist, sich das Ringen darum aber in jedem Einzelfall lohnt.
Dr. Jörg Cuno: Vielen Dank für die Gelegenheit, darüber aufklären zu können.