Wettbewerb, Wettkampf, Mehrkampf!

Eine Urkunde für jedes Kind

Kein Lehrplan für Medaillen

Aktuell fiebern wir wieder mit, wenn in Paris Athletinnen und Athleten in schwarz-rot-goldenen Trikots, Shorts und Badeanzügen um Medaillen kämpfen. Die Goldene von Schwimmer Lukas Märtens über 200 Meter Freistil ließ die Nation auch im Medaillenspiegel erscheinen, der Gradmesser des Erfolgs in den kommenden Tagen und Wochen. Ob Tränen der Freude oder des Ärgers, wir leiden und feiern mit auf der heimischen Wohnzimmercouch. Denn ein bisschen Nationalstolz ist ja zumindest im Rahmen von internationalen Sportevents selbst bei uns noch erlaubt.

Wobei!? Natürlich steht hinter dem Leistungssport viel Quälerei. Es ist eben nicht immer ein Spaß, ständig zu trainieren, die eigenen Leistungsgrenzen tagtäglich auszutesten und zu erweitern, sich zu quälen – Rückschläge und Verletzungen mal komplett außer Acht gelassen. Schon deshalb hat es Schorschla vor allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern riesigen Respekt. Außer vor dem verurteilten Sexualstraftäters Steven van de Velde. Aber das ist ein ganz anderes Thema.

Bleiben wir sportlich. Seit Monaten diskutiert die hohe Politik über die Zukunft der Bundesjugendspiele. Es soll zumindest in der Grundschule keinen Wettkampf mehr geben, sondern einen Wettbewerb. Die Emotionen kochen hoch bei der Vergabe von Ehren-, Sieger- und Teilnehmerurkunden. Fühlen sich schwächere Schülerinnen und Schüler diskriminiert? 

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wörtlich: „Wenn Spitzenleistung erbracht wird, sollte sie auch honoriert werden. Verliert dieses Prinzip an Geltung, verlieren am Ende alle.“ Hessens Kultusminister Armin Schwarz (CDU) bläst ins gleiche Horn: „Wir brauchen den Leistungsgedanken zurück“, fordert er im SPIEGEL. Ja, das bezog sich ausdrücklich auf die Bundesjugendspiele in der Grundschule. 

Tatsächlich nimmt die Belastung von Schülerinnen und Schülern aber immer weiter zu, was durch Studien belegt ist. Und zwar oft auch deshalb, weil sie sich selbst unter Druck setzen: Den „Leistungsgedanken“ haben sie verinnerlicht, nachweislich, statistisch belegt. Die Coronapandemie und der anschließende „Aufholdruck“ haben dieses Problem weiter verschärft.

Sportlehrer Dominic Ullrich, langjähriges Vorstandsmitglied im Deutschen Leichtathletikverband und Vorstandsmitglied der Deutschen Schulsportstiftung, kommentiert das „Reförmchen“ der Bundesjugendspiele ganz sachlich: „Auch der Wettbewerb ist Wetteifern und hat eine Leistungsperspektive – aber eben kindgemäß.“ Der Deutsche Sportlehrerverband (DSLV) teilt mit, die Durchführung der Bundesjugendspiele – egal, in welcher Form – werde „weder den deutschen Spitzensport noch die körperlichen Dispositionen unserer Kinder oder gar deren generelle Einstellungen zur sogenannten Leistungsgesellschaft retten oder gefährden“.

Der Deutsche Leichtathletikverband hat zum Thema eine eigene Website eingerichtet . Darauf findet sich ein Kasten, in dem das ganze parteiübergreifende Politik-Gepoltere einmal richtiggestellt wird. Unter der Überschrift „Key Facts zu den Bundesjugendspielen – aus aktuellem Anlass“ steht dort:

* Die Bundesjugendspiele werden NICHT abgeschafft! 

* Es gibt drei Formen von Bundesjugendspielen – Wettbewerb, Wettkampf, Mehrkampf!

* Die Bundesjugendspiele können in drei Sportarten angeboten werden – Leichtathletik, Schwimmen, (Gerät-)Turnen

* Es wird weiterhin eine sportliche (Einzel-)Leistung erbracht!

* Es gibt weiterhin eine Urkunde für jedes Kind!

Also können wir uns alle erst einmal entspannt zurücklehnen. Der Nachwuchs für Olympische Spiele in den 2030er und 2040er Jahren wird in Deutschland nicht aufgrund von politischen Veränderungen rund um Bundesjugendspiele Medaillen gewinnen oder verlieren. Ehrgeiz und Talent, Durchsetzungswille und Einsatzbereitschaft sind gefragt. In Eigeninitiative oder durch engagierte Eltern. Das passt alles nicht in einen Lehrplan. Zumindest nicht in good old germany!

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