Mehr als nur Fußball

Und es war doch Handspiel!

Mehr als nur Fußball

Es Schorschla ist immer noch mit den Nerven am Ende. Was war das nur für ein Spiel gegen Spanien? Episch. Nervenzerreißend. Vielleicht auch ungerecht. Und natürlich diskussionswürdig. Elfmeter oder nicht? Die aktuellen Regeln sind ungefähr so dehnbar wie ein Bungee-Seil. Da steht auf der einen Seite der Pfiff gegen Dänemark. Fürs Schorschla kein Grund, um auf den Punkt zu zeigen. Gegen Spanien war die Aktion dagegen glockenklar. Der Arm liegt nicht am Körper an und verhindert eine klare Torchance. Zehntausende Fans fordern nach dem Euro-Aus in einer Online-Petition ein Wiederholungsspiel – aber das sind natürlich vergebene Mühen. Das Turnier wird ohne deutsche Beteiligung zu Ende gespielt und trotzdem ist die ganze Nation stolz auf dieses Team.

Was vor allem an Julian Nagelsmann liegt. Ihm ist es gelungen, binnen weniger Monate durch geschickte Schachzüge – wie z.B. das Comeback von Toni Kroos – eine Euphorie im Land zu wecken, die wir viel zu lange vermisst haben. Und als i-Tüpfelchen auf die begeisternden Auftritte seiner Jungs hielt der 36-Jährige auf der abschließenden Pressekonferenz eine Rede, die es Schorschla sich bereits vor Jahren von unserem Bundeskanzler oder Bundespräsidenten gewünscht hätte. 

Zum Einstieg bedankte sich der Bundestrainer bei Fans und Spielern. Er betonte die Stärke der Gemeinschaft und richtete anschließend einen flammenden Appell an die Gesellschaft. „Ich glaube, wir leben in einer Zeit, wo jedem das einzelne Posting, sich selbst darzustellen, wichtiger ist als vielleicht eine gemeinsame Stunde zu verbringen“, so Nagelsmann wörtlich. „Wir waren lange und ewige Zeiten ein Land der Vereine, wo Menschen zusammenkamen und unterschiedliche Dinge gemacht haben“. Das habe von Fußball, über Musik- oder Trachtenvereine gereicht. „Die Menschen haben sich mehrmals die Woche getroffen und gemeinschaftlich schöne Stunden verbracht“, erinnert er sich. Heute sei es hingegen mehr wert, alleine an irgendeinem Bergsee ein Instagram-Foto zu machen. „Ich glaube, diese Gemeinsamkeit und gemeinsame Dinge zu bewirken sind extrem wichtig.“

Deutschland sei einfach ein schönes Land, in dem viele Dinge möglich seien. Wir sollten nur mehr zusammenhalten und weniger schwarz malen. „Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der Dinge alleine macht und dann automatisch schneller, besser, weiterkommt als, wenn er das mit irgendjemandem zusammen macht“, philosophierte Nagelsmann. Und verwies stolz auf die Einigkeit, die während des Turniers um die Nationalmannschaft geherrscht habe. Diese müssen wir nun ins normale Leben übertragen.

Dabei kann jeder eine ganz wichtige Rolle spielen, „in seinem kleinen Kreis, in seiner Straße“. Nagelsmanns Appell: „Wir müssen anfangen, uns gegenseitig zu helfen. Gemeinsam alle Menschen integrieren, willkommen heißen und ihnen helfen, dass sie sich wohlfühlen. Gemeinsam an einer besseren Zukunft zu arbeiten“, das sei das erklärte Ziel. 

„Man kann ja immer Probleme sehen und wir haben Probleme im Land. Man kann aber auch immer von Lösungen sprechen“, bringt es der Bundestrainer auf den Punkt. „Wir hatten beim DFB auch ein brutales Problem, aber ich glaube nicht, dass ich in einer PK hier saß und gesagt habe: Ja, wir haben ein Riesen-Problem. Hoffentlich kriege ich das hin. Ich habe gesagt: Wir haben Lösungen“, sagt er. Immer nur zu meckern, aber sich nicht selbst verantwortlich zu fühlen, helfe nicht. „Ich glaube, wir können alle anpacken.“

Wow. Es Schorschla ist begeistert. Und denkt kurz an Uli Hoeneß, der diesen Coach trotz großer Erfolge einfach ziehen ließ. Es geht im Leben um so viel mehr als nur um Fußball und es tut verdammt gut, dass ein junger, dynamischer und manchmal sicher auch polarisierender Weltklassetrainer dies auch in diesem Rahmen und einen Tag nach dem traurigen EM-Aus seiner Mannschaft vor der versammelten europäischen Presse deutlich anspricht. Unser Land müsse „wieder zurück zur Gemeinsamkeit, ein bisschen weg von dieser unfassbaren Individualität“. Die EM habe genau das gezeigt. „Es gibt so viele andere Dinge, für die dieses Turnier ein Vorbild sein könne“, so Nagelsmann abschließend. Danke Julian für dieses Turnier. Aber noch viel mehr für dieses Statement. Vielleicht haben es ja auch Olaf Scholz und seine Ampelkolleginnen und -kollegen live verfolgt. Könnte ihnen sicher nicht schaden. Und nach was ganz zum Schluss: Es war doch Handspiel im Strafraum!

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