Arbeit muss sich lohnen
Geht bitte ein bisschen weniger
Es ist schon erstaunlich: Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, über Jahrzehnte war das Streben nach „immer etwas mehr“ der Motor für unseren Wohlstand. Nun gehört es Schorschla zu dieser Generation, der es nie richtig schlecht ging. Kein Krieg, das Land war von den beiden Generationen davor bereits wieder aufgebaut, mit Fleiß, Talent, Zuverlässigkeit und Einsatzwillen ließ sich das Leben gut leben und die eine oder andere Auszeit vom Berufsalltag finanzieren.
Die Work-Life-Balance war damals noch kein Thema. Bestenfalls im Unterbewusstsein. Sofern es Zeit und Geldbeutel zu ließen, gönnte sich die Familie etwas Besonderes: Ein neues Möbel, Ferien am Mittelmeer oder in den Bergen, vielleicht auch alle 15 Jahre mal ein neues Auto.
So viel zur jüngsten Geschichte: Heute hat sich vieles geändert. Das Thema Krieg ist allgegenwärtig, die Preise steigen, Kinder kommen schon im ersten Lebensjahr in die Krippe, Erziehung wird von den Eltern oftmals „outgesourct“. Kurzum: Die Einstellung der Menschen im Lande eine ganz andere.
Verlieren die Deutschen zudem immer mehr die Lust an der Arbeit? Diese Frage sollte in einer Langzeitbefragung beantwortet werden. Und siehe da: Viele wollen kürzertreten – aber das schon seit Langem.
Kurz einige Fakten: Wer in Deutschland in Vollzeit beschäftigt ist, würde häufig gern kürzer arbeiten. Im Jahr 2021 wollten 49 Prozent der Frauen und 58 Prozent der Männer ihre Arbeitszeit reduzieren, zeigt die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) . Männer arbeiten demnach im Schnitt 42,3 Stunden in der Woche und wünschen sich 36,7, Frauen 40,9 Stunden und träumen von einer Reduzierung auf 34,7 Stunden.
Das IAB-Forschungsteam hat zudem untersucht, wie sich die Arbeitszeitwünsche in den verschiedenen Altersgruppen entwickeln. In der aktuellen Debatte über eine Viertagewoche wird vor allem den jüngsten Beschäftigten – der sogenannten Generation Z – ein Trend zu mehr Freizeit zugeschrieben. Auf den ersten Blick scheint sich das auch zu bestätigen: Bei Frauen unter 25 Jahren sind die Arbeitszeitwünsche seit dem Jahr 2009 um sieben Stunden zurückgegangen. Es zeigt sich allerdings, dass dies auf einen deutlich gestiegenen Anteil von Minijobberinnen und Studentinnen unter den jungen Frauen zurückgeht. Die Arbeitszeitwünsche der regulär beschäftigten jungen Frauen sind hingegen nur wenig zurückgegangen und nicht stärker als in anderen Altersgruppen. „Eine Sonderrolle der angeblich arbeitsunwilligen Generation Z gibt es nicht“, resümiert IAB-Ökonom Enzo Weber.
Lebensarbeitszeitmodelle waren zu Schorschlas Berufseinstieg auch noch undenkbar. Dabei gibt es für jede Lebensphase ein perfektes Szenario: „Die Arbeitszeitwünsche fächern sich immer weiter auf. Deshalb sollten Arbeitszeiten individuell angepasst werden können“, so Weber mit Blick auf das Problem der Arbeitgeber, angesichts des Fach- und Arbeitskräftemangels eher längere als kürzere Arbeitszeiten zu benötigen. „Das Potenzial, mehr Arbeitsstunden zu mobilisieren, ist bei den Arbeitszeitwünschen begrenzt. Wenn aber die Rahmenbedingungen wie Kinderbetreuung, Mobilarbeit und Erwerbsanreize verbessert würden, dürften auch die Arbeitszeitwünsche nach oben gehen“.
Und davon würden am Ende ja alle profitieren. Nur: Arbeit muss sich auch lohnen. Richtig lohnen. Was man auch in Berlin erkennen muss. Denn wer den Menschen, die noch mit Ehrgeiz und Motivation zur Arbeit gehen, am Monatsende soviel Geld abzieht, dass sie am Ende genauso dastehen, wie diejenigen, die erst einmal gemütlich am Morgen im Bett liegen bleiben, braucht sich nicht wundern, wenn die Leistungsbereitschaft in allen Altersklassen nicht gerade in den Himmel schießt.