Vom Tricksen und Abkürzernn
Mit dem ÖPNV in den Marathon-Olymp
Es war vor rund 2500 Jahren, als im antiken Griechenland eine große persische Armee eine kleine Gruppe griechischer Kämpfer langsam einkesselte. Um Hilfe zu holen, schickten die Griechen den Boten Pheidippides nach Sparta. In zwei Tagen lief er 200 Kilometer, doch die Spartaner entsagten ihre Hilfe und Pheidippides rannte die Strecke wieder zurück. Trotzdem gelang den Griechen ein Sieg, worüber sich Pheidippides so freute, dass er vom Ort Marathon bis ins 40 Kilometer entfernte Athen lief, um den Sieg zu verkünden. Die Anstrengung bezahlte er mit seinem Leben.
So die Legende. Der Marathonlauf war geboren und ist heute festgeschrieben auf eine 42,195 Kilometer-Strecke. Die letzten 195 Meter gibt es übrigens erst seit den Olympischen Spielen 1908 in London, als Alexandra, Königin von Großbritannien, sich wünschte, dass sie den Wettkampf von ihrem Fenster im Windsor-Palast beobachten könne, weshalb die Läufer – Frauen liefen damals (noch) nicht mit – ein paar extra Meter bewältigen mussten.
Weshalb es Schorschla Ihnen all diese Fakten vom Langstreckenlauf präsentiert? Berechtigte Frage. Lesen Sie weiter, Sie werden es kaum glauben können. Denn die Sportwelt erlebt gerade einen wahren Marathon-Eklat. Beim Traditionslauf in der pulsierenden mexikanischen Hauptstadt standen über 30.000 Menschen am Start.
Ein heißer Sonntag in Mexiko-Stadt, eine echte Herausforderung für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Nach vielen Stunden gab es dann im Ziel die verdiente Belohnung, das begehrte Finisher-Shirt samt Medaille.
Wobei verdient? Denn hier kommt die moderne Technik ins Spiel. Die in Mexiko eingesetzte Ergebnis-App in Verbindung mit den in den Startnummern integrierten Tracking-Chips ließ erkennen, dass Zehntausende zwar im Ziel angekommen waren, viele von ihnen allerdings nur einen Teil der Strecke absolviert hatten. Manche liefen 30 Kilometer, andere einen Halbmarathon, vereinzelt wurden auch nur zwei Kilometer abgerissen. Von A nach B ging es stattdessen teils mit der Metro, per Bus oder dem eigenen Auto. „Es ist peinlich, dass wir bei unserem Marathon in Mexiko-Stadt so viele Leute haben, die nicht ausreichend moralische Integrität besitzen, um zu trainieren und einen kompletten Marathon zu laufen“, ärgerte sich der zweimalige Olympia-Teilnehmer Dionicio Cerón (57) in einer Videobotschaft auf X (ehemals Twitter).
Möchten Sie einmal schätzen, wie viele Läuferinnen und Läufer – bewusst oder unbewusst – abgekürzt haben oder gar auf den ÖPNV umstiegen sind? Rund 11.000, unfassbare 35 Prozent der Teilnehmenden!
Die mexikanische Sport-Behörde reagierte schnell auf die Vorwürfe und kündigte an: „Wir werden die Fälle identifizieren, bei denen die Marathon-Teilnehmer unsportliches Verhalten an den Tag gelegt haben, und werden ihre Zeiten aus den Ergebnislisten löschen.“
Die nachträgliche Disqualifikation dürfte all jenen, die bereits mit ihrer Medaille posiert hatten, nur bedingt stören. Einer der überführten Athleten reagierte mit Unverständnis auf die Kritik, schrieb bei Facebook: „Ich habe die Medaille entgegengenommen, weil ich dafür gezahlt habe, so einfach ist das.“ Sportlicher Ehrgeiz sieht anders aus, das Selfie im Ziel als Statussymbol für Insta. Verrückte Welt!