Fußball, Bierhoff, Spagat und mehr
Völlig Balla-Balla
Es gibt Dinge, die möchte man sich eigentlich nicht bildlich vorstellen. Jüngstes Beispiel ist die Überschrift einer großen deutschen Tageszeitung: „Oliver Bierhoff übt den Spagat“. Was auf den ersten Blick aber wie das erste Kapitel aus der Fitnessfibel „Senioren machen sich fit für den Winter“ aussah, entpuppte sich beim Lesen des Artikels als heikler, sportpolitischer Schachzug von unserem „Bundes-Olli“.
Denn man höre und staune: Bierhoff hatte zuletzt Kritik an der Vergabe der Fußball-WM an Katar geäußert, nachdem er diese zuvor auch positiv gesehen hatte. Zwei Monate vor dem Start der Fußball-WM in Katar (20. November bis 18. Dezember) ist der Gastgeber ebenso wie der Weltverband Fifa einmal mehr in die Kritik geraten. Beim Kongress „Sport und Menschenrechte“ auf dem Campus des Deutschen Fußball-Bundes in Frankfurt am Main wurde auch die Rolle des DFB kritisch hinterfragt. Konkret forderte die Gewerkschaft Bau- und Holzarbeiter Internationale (BHI) von der Fifa die Einrichtung eines Entschädigungsfonds in Höhe von 440 Millionen US-Dollar für die Angehörigen von Arbeitern, die auf WM-Baustellen gestorben sind oder verletzt wurden.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf unterstützte dieses Projekt mit markigen Worten und forderte zudem die Einrichtung mehrerer „Working center“, an die sich Arbeiter bei Verstößen durch Arbeitgeber wenden könnten. Das Fanbündnis „Unsere Kurve“ verlangte vom DFB, dass er „Teil einer progressiven Allianz“ werden müsse, damit sich die Anhänger „künftig auf solche Fußballfeste wieder freuen“ könnten. Zudem müsse der Verband auf jegliche WM-Gewinne verzichten, um sich nicht an der Großveranstaltung zu bereichern. Alle Gewinne sollten den „Entrechteten“ zur Verfügung gestellt werden. Geschäftsführer Christian Mihr von „Reporter ohne Grenzen“ beschrieb Katar als „absolute, autokratische Monarchie“, die durch ihre Investitionen in Sport sowie Medien die kritische Lage hinsichtlich von Presse- und Meinungsfreiheit „verschleiern“ möchte.
Das Land, das in der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 119 (von 186) liegt, unterbinde unabhängigen Journalismus und investiere in Internet-Überwachung. Und es Schorschla fügt hier noch an: Fußballstadien kurz vor Weihnachten auf erträgliche Betriebstemperatur mittels Klimaanlagen herunterzukühlen, wirkt in aktuellen Zeiten auch nicht gerade innovativ und nachhaltig. Aber das ist ein anderes Thema.
Zurück zu DFB-Direktor Bierhoff. Der oben angesprochene Spagat war nur rhetorisch gemeint, im übertragenen Sinne. „Man müsse diesen Spagat finden, zwischen der Verantwortung und dem Bewusstsein, das wir als Menschen haben, so Bierhoff wörtlich. Die „vielen Geräusche und auch Kritiken, die vorher kommen“, dürften „nicht dazu führen, dass wir keine Lust am Turnier haben. Sondern, dass wir uns auf eine Weltmeisterschaft freuen, auf das Messen mit den Besten der Welt und darauf freuen, dass wir Deutschland vertreten können und hoffentlich den nächsten Stern holen“, gab Bierhoff als sportliche Vorgabe für die Auswahl von Bundestrainer Hansi Flick aus. Bierhoff kündigte im Vorfeld der letzten Gruppenspiele gegen Ungarn und England an, dass die Nationalspieler nochmals mit der schwierigen Situation am Arabischen Golf vertraut gemacht würden.
Ganz anders sieht übrigens Katars Botschafter in Deutschland, Abdulla Bin Mohammed bin Saud Al-Thani, die WM 2022. Er fordert einen fairen Umgang mit seinem Land als WM-Gastgeber und zieht einen Vergleich zu Russland als Turnierausrichter 2018. „Wenn wir vier Jahre zurückgehen, war die WM in einem Land, die Krim war gerade eingenommen, Menschen im Gefängnis, unterdrückte Menschen, und da war keine Aufmerksamkeit aus Deutschland und nicht aus irgendeinem anderen Land in Europa“, so Al-Thani. Sein Land stehe seit zwölf Jahren im Fokus und habe viele Veränderungen angestoßen.
Al-Thani wünschte sich von Deutschen, die in Katar waren – wie dem Rekordmeister Bayern München nach seinen traditionellen Wintercamps –, von ihren positiven Erfahrungen zu berichten: „Sagen sie es öffentlich, oder halten sie den Mund“, formulierte der Diplomat völlig undiplomatisch. Es Schorschla übersetzt frei: Fresse halten und Fußballspielen!