Klingt gar nicht gut!
Die Situation ist echt Draghisch
„Dess is ja wie in Italien“, hörte es Schorschla am Wochenende bei „Bamberg zaubert“ eine fränkische Signora schwärmen. Was sie damit ausdrücken wollte, war sofort klar: Diese Melange aus Gelatti, Spritz und blauem Himmel – das legendäre „dolce farniente“, das süße Nichtstun – die höchste Kunst der Lebensfreude. Soviel zum Thema „bella italia“.
Es gibt aber leider auch eine Schattenseite des sonnigen Stiefellandes: Hohe Schulden, schwache Wirtschaft, politische Turbulenzen. Eine prekäre Lage, die leider auch in diesem Sommer plötzlich wieder uns alle angeht. Denn neben zerstörten Lieferketten, einer unkalkulierbaren Energie- und Gaskrise sowie explodierenden Lebensmittelpreisen rüttelt es seit einigen Tagen auch unsere Grün-Weiß-Roten europäischen Freundinnen und Freunde kräftig durcheinander. Und die Finanzwelt ist sich ausnahmsweise einmal einig: Wenn Italien scheitert, scheitert womöglich der gesamte Westen.
Klingt gar nicht gut. Kurz zum Hintergrund. Einmal jährlich bekommen Regierungen rund um den Globus Besuch aus Washington. Ein Team von Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) prüft dann die offiziellen Zahlen, befragt Beamte, rechnet, mahnt und lobt. Am Ende erhalten die Länder eine Art finanzpolitisches Zeugnis inklusive gut gemeinter Ratschläge.
Aktuell liegt Italiens Schuldenquote zwischen 150 und 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), doppelt so hoch wie in Deutschland. Unter den wohlhabenden größeren Volkswirtschaften ist Italien, nach Japan, der am höchsten verschuldete Staat. Das ist nicht ganz neu, war aber noch ansatzweise ertragbar, weil die Zinsen extrem niedrig sind. Was sich aber gerade ändert. Die internationalen Notenbanken treten (endlich) auf die Bremse, um die davoneilende Inflation zu dämpfen, und weil Investoren höhere Renditen als Ausgleich für gestiegene Risiken verlangen.
Auch die Europäische Zentralbank (EZB) wird wohl am Donnerstag beginnen, die Leitzinsen anzuheben. Größtes Sorgenkind: Die Tifosi! Denn die extrem hohen Staatsschulden machen das Land anfällig, rasch steigende Zinsen könnten in eine Schuldenspirale führen – und damit letztlich in eine schwere Wirtschaftskrise, womöglich sogar in die Staatspleite. Rom brauche eine „glaubwürdige Doppelstrategie, um die hohen Defizit- und Schuldenquoten in den Griff zu bekommen“. Es gehe um langfristige Ausgabendisziplin und um ein umfangreiches Reformprogramm. Im Idealfall würden dann die Staatsschulden im Jahr 2030 auf 135 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken, mahnen die IWF-Prüfer.
Das ist der düstere Hintergrund, vor dem sich Italiens derzeitige Regierungskrise abspielt. Ministerpräsident Mario Draghi hat seinen Rücktritt längst angeboten, Staatspräsident Sergio Mattarella diesen sofort abgelehnt. Nun wird Draghi heute vors Parlament treten, um zu schauen, ob seine Koalition der nationalen Einheit noch existiert. Ein brandgefährliches Polittheater in der ewigen Stadt Rom, welches sich zum gesamteuropäischen Drama ausweiten könnte. Wenn Italien, die drittgrößte Volkswirtschaft der EU und einer der am höchsten verschuldeten Staaten der Welt, ins Rutschen gerät, dann werden viele andere mitgezogen. Was etwas Hoffnung macht, ist die Person Mario Draghi. Der 1947 im Rom geborene aktuelle Ministerpräsident ist Wirtschaftswissenschaftler, war von 2005 bis 2011 Gouverneur der Banca d’Italia und zwischen 2011 und 2019 Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB). Im Mai 2019 bezeichnete ihn der angesehene US-Ökonom Paul Krugman als „größten Zentralbanker der Neuzeit“. Darüber hinaus gilt er dank seiner Geldpolitik während der Eurokrise als „Retter des Euro“. Hoffen wir also auf eine Draghi'sche Eingebung im Schatten des Petersdoms!
PS: Die Meinung vom Schorschla muss nicht immer mit der der Redaktion übereinstimmen.